Sonntag, 24. Juli 2011

DIE AUGEN DER SAPPHO

Das Geräusch einer Bewegung ließ Marion hinter sich schauen, und sie sah in Moiras jetzt offene Augen. Ein paar Sekunden lang wandten sie den Blick nicht voneinander ab. Dann verschränkte Moira die Arme unter ihrem Kopf und sagte leise:
«Δέδυκε μεν α σελάννα
και πληίαδες. Μέσαι δε
νύκτες, παρά δ’έρετ’ ώρα.
Εγώ δε μόνα κατεύδω
»Was heißt das?«, fragte Marion.
»Untergegangen sind wohl Mond
und Plejaden. Mitternacht
ist und vorbei ging die Zeit.
Ich aber, ich liege einsam.«
Marion beugte sich zu ihr hinab und streichelte durch das Gewirr von Moiras schwarzem Haar. Dann lächelte sie und sagte: »Aber es ist weder Mitternacht noch liegst du einsam. Ich bin doch hier …«
»Es sind Verse von Sappho. Sie stammen aus der Vergangenheit – aber sie weisen in meine Zukunft, mein Herz.«
Auszug aus dem Buch: DIE BLAUE TÜR - Ägäische Geschichten von Brigitte Münch

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